Sonntag, 5. August 2012

Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau

Easy Virtue - Eine unmoralische Ehefrau

Als der britische Playboy John seine neue Ehefrau Larita - eine Rennwagen fahrende Feministin aus Detroit - auf dem Landsitz seiner Eltern der Familie vorstellt, werden so ziemlich die Erwartungen aller enttäuscht. Seine versnobte Mutter kann sich mit Laritas unbekümmerten amerikanischen Eigenheiten nicht anfreunden, während Larita alles unternimmt, damit ihre Schwiegermutter etwas lockerer wird, was diese umso mehr aufregt. Johns Schwestern denken radikal unterschiedlich über die neue Schwägerin, aber sein Vater ist fasziniert endlich jemanden gefunden zu haben, der die Familienfassade durchblickt - und verspürt eine großartige perverse Freude darüber, dass seine Frau jemandem gegenübersteht, der ihr gewachsen ist.


 Kritik:

Lange...sehr lange habe ich darauf gewartet, mal wieder einen Film zu sehen, der einen extrem bleibenden Eindruck (aus unterschiedlichen Gründen) hinterlässt. Diese Perlen, die man am liebsten an einem Wochenende fünf Mal anschauen möchte. So ging es mir beispielsweise mit Eiskalte Engel (wegen des Soundtracks), Good Will Hunting (wegen der ungewöhnlichen Geschichte) und zuletzt Lovesong for Bobby Long (wegen der literarischen Zitate und des Hintergrundes). Und heute mit Easy Virtue. Nach langer Zeit mal wieder ein Film, der definitiv in Zukunft immer auf der Liste der Lieblingsfilme stehen wird. Vorab sei einmal angemerkt, dass ich mir den Film unvoreingenommen angesehen hab. Ich hab weder Kritiken gelesen, noch überhaupt je etwas davon gehört. Ich hab einfach nur bei Videoload nach einem nachmittäglichen Zeitvertreib gesucht und bin über den Trailer gestolpert.

Ich habe also wenig erwartet...und wurde großartig unterhalten. Die Geschichte an sich gab es sicher schon einmal irgendwo in der Art und Weise: junger Mann bringt seine neumodische Angetraute in seine altmodische Familie ein. Wer ein Drama erwartet, wird enttäuscht sein, denn auch wenn das, was sich zwischen Larita und ihrer Schwiegermutter abspielt sicher als Drama zu bezeichnen ist, handelt es sich hier doch eher um eine Tragikkomödie. Mit viel, aber leisem Witz werden die Probleme, auf die Larita trifft, dargestellt, etwa wenn sie sich versehentlich auf den Hund der Schwiegermutter setzt und damit sein Ableben besiegelt, um ihn später mit Hilfe der Bediensteten zu beseitigen. Ebenfalls heiter wird der Unterschied zwischen dem alten, englischen Landadel und der "Frau aus Übersee" dargestellt: während Larita für das Leben und die Welt offen ist, möchte Veronica, ihre Schwiegermutter, dass sich nichts ändert und hält eisern an Prinzipien und Traditionen fest.

Ebenso leise werden hier aber auch die Charaktere durchleuchtet und ihre Geschichten erzählt, was nicht zuletzt an der Leistung der Darsteller liegt. Jessica Biel, die mir durchaus sympathisch ist, mir aber nur aus "Eine himmlische Familie" und Filmen wie "Stealth" und "Blade Trinity" in Erinnerung geblieben ist, überzeugt auf der Leinwand als Larita. Das Schmunzeln und das Blitzen in den Augen scheint wie geschaffen für die Rolle dieser jungen Dame. Ben Barnes wirkt als John dagegen beinahe blass und geht beinahe unter, was sicher nicht nur an seiner Rolle liegt, sondern an dem ewig gleichen, langweiligen Gesichtsausdruck in jeder Einstellung, als würde er seine Briefmarkensammlung betrachten. Zu Anfang kauft man ihm den Playboy noch ab, aber allzu schnell vollzieht sich in Gestik und Mimik der Wandel in die festen Gefüge seiner Familie. Positiv überrascht haben mich hingegen Colin Firth und Kristin Scott Thomas. Ich mochte beide bis heute nicht besonders. Colin Firth ist mir nur dunkel in Erinnerung geblieben aus "Bridget Jones" und "Die Girls von St. Trinian"...und das nicht positiv. Bis heute habe ich mich vor "Stolz und Vorurteil" in der BBC-Adaption gedrückt, seinetwegen. Das dürfte sich jetzt ändern, denn wenn hier jemand hervorsticht, dann ist es Colin Firth als Jim, der Vater, der als einziger in der Ortschaft aus dem Krieg zurück gekehrt ist und seitdem schon innerlich tot zu sein scheint. Lediglich Laritas Anwesenheit ist es zu verdanken, dass er langsam und beständig (und vor allem wahnsinnig glaubhaft) wieder zurück ins Leben findet. Auch Kristin Scott Thomas hat in ihrer Rolle als Schwiegermonster brilliert. Ich hätte mir keine bessere vorstellen können, denn sie schafft es doch, dass man irgendwie auch Verständnis für sie aufbringt. Selbst die Nebenrollen waren einfach fabelhaft: ob nun die jüngeren Schwestern Johns Hilda und Marion (Kimberley Nixon und Katherine Parkinson), die Geschwister Sarah und Philipp Hurst (Christian Brassington und Charlotte Riley) oder die Bediensteten Jackson, Millie und Beatrice. Besonders zu erwähnen ist hier noch der Butler Furber, dargestellt von Kris Marshall. Großartig!

Über Kamera und Regie lässt sich nicht viel negatives sagen. Stephan Elliott hat hier meiner Meinung nach gute und solide Arbeit geleistet. Die Bilder der englischen Landschaft begeistern selbstverständlich und die Anwesen beeindrucken ohne übertriebenen Prunk und Proll, was sehr angenehm fürs Auge ist. Schnitt und Kameraführung sind gut. Ein absolutes Sahnehäubchen auf dem Film ist mit Sicherheit der Soundtrack. Dieser verzichtet auf Modernes und kommt ganz im Stil der 20er Jahre daher, bringt viel Charleston mit sich und untermalt die Kulisse somit stilecht. Cole Porter sollte jedem etwas sagen, aber auch Ben Barnes und Jessica Biel brauchten ihre Stimmen in den beigesteuerten Stücken nicht zu verstecken. Hin und wieder ertappte man sich dabei, wie man mitsummte, etwa bei Andy Caines Version von Sex Bomb.

Fazit:

Sorry, aber so wie mich das Gesamtpaket aus Geschichte, Darstellern, Bildern und Musik begeistert hat, kann ich keine Abzüge in der B-Note geben. Rundum gelungen, eine leise Geschichte, die in angemessenem Tempo erzählt wird, unterstrichen von tollen Einstellungen und atmosphärischer Musik, einer Portion Gesellschaftssatire gespickt mit Sarkasmus und scharfen Sprüchen. Das gibt volle 10 von 10 Punkten. In diesem Sinne: When the going gets tough, the tough gets going.

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